Klima als Herausforderung für kooperatives Handeln
- Fred Malich
- 19. Dez. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Buchbesprechung: Der Klimawandel von Stefan Rahmstorf, Hans Joachim Schellnhuber, München 2018, 144 S., EUR 9,95, ISBN 3406743765

Der Klimawandel ist in aller Munde. Braucht es da zu Weihnachten auch noch ein Buch, das genau so heißt? Spontan möchte man sagen: „Bloß nicht!“ Ein Blick in das Buch verrät jedoch schnell, dass die Autoren Stefan Rahmstorf und Hans Joachim Schellnhuber – beide ausgewiesene Experten der Klimafolgenforschung – Substanzielles zu sagen haben. Dazu zählt die Geschichte des Klimas, dessen Entwicklung im 20. Jahrhundert und das, was der Klimawandel für die Zukunft bedeutet.
Die Faktenlage in äußerster Kurzfassung: Die Jahre 2016, 2017 und 2015 waren seit dem Beginn von Temperaturaufzeichnungen die weltweit wärmsten, und 2024 wird voraussichtlich diese drei Jahre noch toppen. Vor allem durch die menschengemachte Verbrennung von Kohlenstoff und das Abholzen von Wäldern ist in den letzten 200 Jahren die weltweite Konzentration von Kohlendioxid (CO2) auf ein Niveau gestiegen, wie es zuletzt vor 1.000.000 Jahren – also zu Zeiten von Homo erectus – auf der Erde anzutreffen war. Eine solche Zunahme der Konzentration eines klimarelevanten Gases in so kurzer Zeit hat es nach allem, was erdgeschichtlich bekannt ist, bisher noch nicht gegeben.
Beide Autoren betonen, dass die Erde in ihrer gesamten Geschichte schon kältere als auch wärmere Klimaperioden erlebt hat. Allerdings müsste man von heute aus mindestens 120.000 Jahre in die letzte Warmzeit zurückgehen, um noch höhere globale (Durchschnitts-)Temperaturen auf der Erde zu finden. Und das obwohl wir uns erdgeschichtlich derzeit in einer Phase relativer Abkühlung befinden. Gleichzeitig sollte man sich dabei im Klaren sein, dass es dem modernen Menschen – also Homo sapiens – erst vor 10.000 Jahren allmählich gelang, durch das Erlernen von Landwirtschaft in gemäßigteren Klimazonen sesshaft zu werden. Sesshaftigkeit ist also an langfristig stabile Umweltbedingungen gekoppelt. Gerade das ist jedoch aufgrund der heutigen Klimaveränderung in zunehmendem Maße in Frage gestellt.
Rahmstorf und Schellnhuber kommen im letzten Kapitel ihres sehr informativen Buchs auf die eigentliche Herausforderung für uns Menschen zu sprechen, nämlich dem bisherigen Umgang der Weltgemeinschaft mit dem Phänomen Klimawandel. Dabei muss man sich das grundsätzlich Neue der Situation klarmachen. Zwar gab es auch in der Vergangenheit weltumspannende Krisen wie z.B. den Zweiten Weltkrieg oder Pandemien wie die Spanische Grippe oder COVID-19. Jedes dieser Ereignisse war eine große Herausforderung für die Weltgemeinschaft, und jedes dieser Ereignis war irgendwann zu Ende.
Das Besondere des aktuellen Klimawandels ist aber, dass es ein „Ende“ gerade nicht geben wird, jedenfalls nicht in menschlich ermessbarer Zeit. Vielmehr geht es heute um schnelle und wirksame Anpassungen an irreversible, menschengemachte Klimaveränderungen mit teilweise selbstverstärkenden Effekten. Die starke Reduktion der Produktion von Klimagasen wie CO2 und Methan muss dabei im Mittelpunkt aller Überlegungen stehen. Damit geht es schlicht um die schnelle und dauerhafte Absenkung des Energieverbrauchs der großen industrialisierten Länder zu fairen Bedingungen für alle Erdbewohner – Menschen, Tiere und Pflanzen. Wechselseitige Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge, die sich erst über vergleichsweise lange Zeiträume bemerkbar machen, erhöhen zusätzlich den Grad der Komplexität. Rahmstorf und Schellnhuber nennen dies zurecht eine Feuertaufe für die im Entstehen begriffene Weltgesellschaft.
Die grundsätzliche gesellschaftliche Frage lautet also, wie man heute zwischen verschiedenen sozialen Gruppen, die nach außen als Staaten organisiert sind, zu vielfältigen, fairen und langfristig stabilen Interessenausgleichen kommt, die insbesondere die berechtigten Interessen der Generationen von morgen mitberücksichtigen. Und wie es gelingt, die eigenen wesentlichen Interessen transparent, fair und langfristig stabil zu formulieren und umzusetzen. Interessengeleitete Kooperation, die auf fairen, generationsübergreifenden Interessenausgleichen beruht und die deren Notwendigkeit pro-aktiv erklärt - ein ums andere Mal - das dürfte die große Daueraufgabe jeder seriösen Politik werden und zwar nicht nur im 21. Jahrhundert.
Auf dieses Feld wagen sich Rahmstorf und Schellnhuber aus gutem Grund nicht vor. Es würde schlicht den Rahmen ihres Klima-Aufklärungswerks für die Westentasche sprengen. Gerade deshalb wäre ihrem Buch eine Fortsetzung zu wünschen – wie wär's mit „Klimawandel als Verhaltenswandel“ als Arbeitstitel? So oder so: den Autoren ist es auch mit Hilfe von 27 sehr informativen Abbildungen gelungen, wichtige Klimazusammenhänge ihrer Leserschaft prägnant zu vermitteln. Die Lektüre des Buches lohnt sich - auch zu Weihnachten.